Javier Jahncke, Red Muqui
Copyright: Eva Tempelmann
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Vertreter von Red Muqui zu Besuch in Europa: Die andere Seite der Medaille

Javier Jahncke und Mattes Tempelmann vom bergbaukritischen Netzwerk Red Muqui informierten während eine Rundreise in Deutschland und der Schweiz über die Folgen des Bergbaus in Peru

Der Bergbau gilt für die peruanische Regierung als der Motor zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Trotz sinkender Rohstoffpreise hält sie an diesem Modell fest und senkt sogar Umwelt- und Sozialstandards, um mehr Investoren ins Land zu locken. Doch der Bergbau in Peru hat nachweisbar kaum nennenswerten positiven Effekte auf Beschäftigung, geschweige denn auf breitenwirksame Armutsminderung, insbesondere in den vom Bergbau betroffenen Regionen. Der Bergbau hinterlässt zerstörte Ökosysteme und die Mitsprache der Bevölkerung steht nur auf dem Papier. Soziale Umweltkonflikte zwischen der Lokalbevölkerung in Bergbaugebieten und den Bergbauunternehmen haben in den vergangenen zehn Jahren deutlich an Intensität und Zahl zugenommen.

Über die Folgen des Bergbaus in Peru und mögliche Alternativen aus der Zivilgesellschaft haben Javier Jahncke und Mattes Tempelmann, Geschäftsführer und Mitarbeiter des landesweit agierenden bergbaukritischen Netzwerkes Red Muqui informiert. Vom 6. bis 17. Januar reisten sie durch Deutschland und die Schweiz und machten in Gesprächsrunden und Diskussionsabenden in Brüssel, Berlin, Luzern und Freiburg auf die Bergbauproblematik aufmerksam. Deutschland ist einer der Hauptabnehmer von Kupfer, einem wichtigen Rohstoff für die Automobilindustrie.

In Berlin informierten Javier Jahncke, Anwalt, und Mattes Tempelmann, Geograf, unter anderem im Bundestag in einer fraktionsübergreifenden Runde über den aktuellen Stand der Entwicklungen im Bereich der Rohstoffpolitik in Peru.

Bei einem gut besuchten Vortrags- und Diskussionsabend im Haus der Demokratie und Menschenrechte am 12. Januar, organisiert von der Kampagne Bergbau Peru, konnten sich die Zuhörer/innen ein umfassendes Bild von der seit Jahren zunehmend konfliktbeladenen Situation des Bergbaus in Peru machen. Jahncke erläuterte in seiner Präsentation, wie in der Logik eines extraktivistischen Wirtschaftsmodells fallende Rohstoffpreise und steigender wirtschaftlicher Druck, nicht zuletzt durch internationale Großkonzerne, verheerende Auswirkungen auf soziale, Umwelt- und Menschenrechtsbelange haben. Er führte zahlreiche Beispiele von aktuellen Gesetzesvorhaben und schlechter Politikpraxis an, die eine Aufweichung von Umweltstandards bedeuten, Mitspracherechte der lokalen und insbesondere indigenen Bevölkerung beschneiden oder umgehen und bereits erfolgreiche politische Instrumente für eine geregelte Regionalplanung immer mehr aushebeln. Die peruanische Regierung treibe Bergbauprojekte vehement voran und zeige keinerlei Interesse an einem präventiven Umgang mit Konflikten, beklagte er. Im Gegenteil: Protestierende Anwohner/innen und NGOs werden kriminalisiert und im öffentlichen Diskurs als „Terroristen gegen den Bergbau“ diskreditiert.

Mattes Tempelmann, Fachkraft der Schweizer Organisation COMUNDO und seit anderthalb Jahren Mitarbeiter im Red Muqui, ergänzte den Vortrag mit Einblicken in die praktische Arbeit des Netzwerks. Mit konkreter Unterstützung wie juristischer Beratung, Empowerment-Workshops und Begleitung von Gemeinden, die von Bergbauprojekten betroffen sind, begleitet das Red Muqui den Politikprozess in Peru und macht Vorschläge für eine Reformierung des Bergbausektors im Sinne eines post-extraktivistischen Modells, das eine Abkehr des Landes von der Abhängigkeit vom Rohstoffsektor fordert. In Gemeinden vor Ort führt Mattes Tempelmann mit weiteren Mitarbeiter/innen des Netzwerks partizipative Workshops mit der Bevölkerung und mit lokalen EntscheidungsträgerInnen durch, um gemeinsam konkrete wirtschaftliche, soziale und politische Alternativen zum Bergbau zu identifizieren. Diese umfassen z.B. Forderungen der sozialen Basisorganisationen zu Recht auf Wasser und Land bis territorialer Autonomie und Mitspracherechte in Entscheidungsprozessen, als auch die Stärkung und Akzeptanz von lokalen Komitees der Umweltkontrolle, der partizipativen Raumplanung, bis hin zu regionalen nachhaltigen Entwicklungsplänen, welche auf eine Diversifizierung der Ökonomie setzen.

Bei ihrem Vortrag und in der anschließenden Diskussion stellten Jahncke und Tempelmann die aktuellen Entwicklungen in den Kontext der anstehenden Präsidentschaftswahlen in Peru im kommenden April und warfen auch einen kritischen Blick auf die negative Rolle der deutsch-peruanischen Rohstoffpartnerschaft bei der Gestaltung von bergbau- und rohstoffrelevanten Politiken in Peru. Aus Sicht der Zivilgesellschaft ist diese Partnerschaft nur auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet. Sie beinhaltet keinen expliziten Schutz der Menschenrechte und Umweltschutz in den Bergbauregionen. Entwicklungspolitische Maßnahmen wie Transfer von technischem Know-how bei der Altlastenbeseitigung oder Beratung in Fragen einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Raumplanung werden zugunsten des Ziels einer billigen Rohstoffsicherung für Deutschland vernachlässigt.

Ein wichtiger Termin in diesem Kontext war ein vom AK Rohstoffe organisierter informeller Austausch mit Vertreter/innen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Das Ministerium hatte die Zivilgesellschaft eingeladen, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Anliegen im Vorfeld des am 23. Februar in Lima stattfindenden ersten Regierungsarbeitsgruppentreffens zur Umsetzung der deutsch-peruanischen Rohstoffpartnerschaft zu äußern.

Silvia Bodemer und Mattes & Eva Tempelmann

Wir danken herzlich der AG “dritte Welt – Hier!” der Stiftung Umverteilen, die den Berlin-Besuch finanziell unterstützt hat.