Vor dem Rathaus von Espinar, © Hildegard Willer
Vor dem Rathaus von Espinar © Hildegard Willer
Vor dem Rathaus von Espinar, © Hildegard Willer
Vor dem Rathaus von Espinar © Hildegard Willer

Pressemitteilung anlässlich des unbefristeten Streiks in Espinar (Cusco)

Angesichts der aktuellen Konflikte rund um Glencore und den Kupferabbau in der Mine Antapaccay haben die Coordinadora Nacional de Derechos Humanos (CNDDHH), Red Muqui, CooperAcción und Derechos Humanos Sin Fronteras am 1. August 2020 folgende Pressemitteilung veröffentlicht, die wir hier auf Deutsch weitergeben möchten:

Pressemitteilung anlässlich des unbefristeten Streiks in Espinar (Cusco)

Aufruf zum Dialog, der sich der Forderungen annimmt, und zur Wahrung und Garantie der Menschenrechte

Als Organisationen der Zivilgesellschaft erklären wir gemeinsam unsere Besorgnis angesichts der Gewalt und Repression, denen sich die Bürger*innen der Provinz Espinar ausgesetzt sehen, die seit 19 Tagen in einen unbefristeten Streik eingetreten sind, inmitten der Pandemie, die die wirtschaftliche Situation der Familien erschwert und des Ausnahmezustands, der die Ausübung ihrer Rechte beschränkt. Da ihre Bitte um einen Dialog zur Lösung des Konflikts (im Falle der Mine Antapaccay, Anm. der Redaktion) nicht erhört wurde, hat die Bevölkerung beschlossen, zu den Mitteln des Protests auf den Zufahrtsstraßen nach Espinar zurückzukehren.

Die Pandemie und die verpflichtende Quarantäne bewogen die Organisationen dazu, im Komitee zur Umsetzung des Rahmen-Vertrags einen einmaligen Solidaritäts-Gutschein vorzuschlagen. In diesem Rahmenvertrag, der vom Bergbauunternehmen Antapaccay und der Provinzregierung von Espinar unterzeichnet wurde, ist vorgesehen, dass ein Fonds in Höhe von 3 Prozent des Gewinns des Unternehmens eingerichtet wird, der für Entwicklungsprojekte zur Verfügung stehen soll. Dieser Fonds wird von einem Komitee zur Umsetzung verwaltet, an dem die Lokalregierungen, die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Gemeinden und das Unternehmen beteiligt sind. Am 14. Mai traf das Komitee die Entscheidung, Mittel aus dem Fonds für das Projekt „Verbesserung der sozio-ökonomischen Dienstleistungen in den acht Distrikten der Provinz Espinar, um für Familien angesichts der Coronakrise wirtschaftliche Erleichterungen zu schaffen“ bereitzustellen. So wäre Geld für die Bewilligung des Solidaritäts-Gutscheins für den Notfall vorhanden.

Glencore, das Unternehmen, das die Mine Antapaccay betreibt, hat jedoch die Auszahlung dieser Mittel verweigert. Diese Uneinigkeit hat dazu geführt, dass nunmehr seit 60 Tagen eine angespannte Situation herrscht, die am 15. Juli in die Ausrufung eines unbefristeten Streiks mündete. In diesen Wochen kam es zu Zusammenstößen, Höhepunkt waren Gewaltausbrüche vom 19. bis 22. Juli. Dabei wurden drei Personen durch Schüsse verletzt und Dutzende mit Schrotkugeln. Dazu kommt die Bedrohung von medizinischem Personal des Krankenhauses von Espinar, das die Demonstrierenden behandelte. Außerdem kam es wieder zur Kriminalisierung des Protests: bereits acht Anführer*innen erhielten von Angehörigen der Generalstaatsanwaltschaft Warnungen, dass sie wegen Ungehorsam gegenüber den Behörden belangt werden können.

Der Konflikt in Espinar ist nicht neu. Die Provinz lebt seit fast 40 Jahren mit dem Bergbau. Dennoch hat dieser nicht dazu beigetragen, die Lebensbedingungen der Bevölkerung signifikant zu verbessern. Die Pandemie brachte strukturelle Probleme zutage, wie die fortgesetzte Armut (laut Daten des Sozialentwicklungs- und Inklusionsministerium sind 76 Prozent der Bevölkerung arm oder extrem arm). Gleichzeitig ist die Bevölkerung von Espinar den negativen Auswirkungen des Bergbaus ausgesetzt, die ihre Rechte verletzen: Hunderte Personen in den sechs an die Mine angrenzenden Gemeinden leiden unter nachweisbar erhöhten Werten von Arsen, Cadmium, Quecksilber und Blei in ihren Körpern, erhöhter Sterblichkeit ihres Viehs, Vergiftung der Flüsse Cañipia und Salado. Außerdem sehen sich die sozialen Organisationen einer Strategie der Stigmatisierung und Kriminalisierung von Seiten des Staates ausgesetzt, insbesondere seit dem Konflikt im Jahr 2012.

Angesichts dessen fordern wir, dass der soziale Protest schnellstmöglich ernst genommen wird und die Forderungen der Bevölkerungen in einem Dialog ohne Bedingungen aufgegriffen werden, damit die Vereinbarungen garantiert erfüllt und die Menschenrechte respektiert werden. Die entsprechenden staatlichen Stellen sind aufgefordert, schnellstens die Verletzung von Rechten zu untersuchen, die sich in Espinar ereignet haben, und das willkürliche und unverhältnismäßige Verhalten der Ordnungskräfte zu sanktionieren. Auch rufen wir die Generalstaatsanwaltschaft, die Polizeikräfte und die Armee dazu auf, im Rahmen der internationalen menschenrechtlichen Standards zu agieren.

Die Originalversion der Pressemitteilung findet sich z.B. auf servindi.org.


Auch die Plataforma Europa Perú, in der die Informationsstelle Peru und die Kampagne Bergbau Peru Mitglied sind, hat sich in einer Stellungnahme zu den Vorfällen geäußert (auf Spanisch, zur Vertiefung):
http://cooperaccion.org.pe/la-plataforma-europa-peru-expresa-su-preocupacion-por-represion-en-espinar/

In einem aktuellen Artikel im InfoPeru der Informationsstelle Peru können Sie mehr zu den Hintergründen und aktuellsten Entwicklungen nachlesen:
http://www.infostelle-peru.de/web/pandemie-verzweiflung-und-ein-zugespitzter-konflikt-in-espinar/
(Glencore hat inzwischen nachgegeben: Ein Dialogtisch wurde eingerichtet und Direktzahlungen an die Bevölkerung wurden zugesagt.)